„Ständig fühle ich mich wie ein Alien, irgendwie anders... Die Menschen um mich herum haben oft schon gesagt, ich würde überreagieren, mir was einbilden. Meine Gefühle sind manchmal so stark und wirr, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Vor allem wenn es stressig wird in meinem Alltag, wenn es schnell gehen muss, es z.B. laut oder turbulent um mich herum ist. Dann ist das sehr schwierig für mich und oft werde ich grantig oder wütend.“
„Ich nehme Dinge wahr, die andere Menschen nicht wahrnehmen. Und wenn mir dann alle erklären, ich bilde mir das ein, zweifle ich an mir und fühle mich falsch.“
Solche Fallgeschichten gibt es tatsächlich viele!
Wissenschaftliche Studien u.a. mit bildgebenden Verfahren (z.B. fMRI) zeigen, dass mindestens 15-20%* der Menschen über eine erhöhte Fähigkeit verfügen, Umgebungsreize wahrzunehmen.
Diese Persönlichkeitseigenschaft (HSP, highly sensitive person), bzw. diese spezielle Art und Weise, wie Ihr Gehirn Informationen aufnimmt und verarbeitet, kann große Vorteile gegenüber Menschen mit geringerer Sensitivität mit sich bringen (vgl. M. Pluess, 2015, P. Wyrsch, 2020 zum Thema Vantage-Sensitivität). Es zeigt sich jedoch auch, dass diese Eigenschaft unter bestimmten Bedingungen (z.B. Belastungen in der Lebensgeschichte) auch mit einem erhöhten Risiko für Angst und Depression einhergehen kann (mehr dazu auf www.hsperson.com/research).
Wenn die Mehrheit Ihrer Mitmenschen eben NICHT dasselbe wahrnimmt wie Sie, kommt es unweigerlich zu unterschiedlichen „Wahrheiten“ über die Welt, zu Konflikten, zu einem Gefühl des "Nicht Hineinpassens in die Gesellschaft" (vgl. auch Black & Kern, 2020). Auch negative Bewertungen wie z.B. „Ich bin anscheinend nicht richtig“ oder "nie genug" können die Folge sein.
Möglicherweise stehen auch andere Belastungen und Traumata in der Lebensgeschichte oder auch andere Persönlichkeitsmerkmale oder Erkrankungen im Vordergrund, die das eigene Erleben, die Gefühle und das Verhalten besser erklären können. Auch sind unsere Gefühle und Eindrücke nicht immer „wahr“, denn häufig werden unbewusst eigene, unverarbeitete Themen und Gefühle durch den Kontakt mit Anderen „getriggert“.
*Neueste Ergebnisse deuten auf 20-35% hin (vgl. Greven et al., 2019)